Rawalpindi, Pakistan
Rückblick: Trauer und Hoffnung in Pakistan

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Joh. 12,24 – Auf schwere, aber wunderbare Weise durfte Sr. Adelheid, die Erfüllung dieses Wortes in Pakistan erleben.

Sr. Ingrid Wundbehandlung

Sr. Ingrid Wundbehandlung

Nach einem 9jährigen Einsatz im Leprahopital Manghopir, Karachi, wo ich als Physiotherapeutin und Krankenschwester arbeitete, kam ich im Dezember 1977 nach Rawalpindi. Dort unterhalten wir Christusträger das »Rawalpindi Leprosy Hospital«. Sr. Ingrid, Krankenschwester, und Sr. Katrin, Verwaltung, arbeiteten damals zusammen mit pakistanischem Personal.

Für Sr. Ingrid war es der erste Einsatz in Pakistan. Wie jede von uns kämpfte sie sehr beim Erlernen der schwierigen Landessprache. Sie setzte sich voll ein bei der Pflege der Patienten, obwohl diese oft noch ansteckend und sehr verschmutzt, mit schlimmen Wunden an Händen und Füßen ins Hospital kamen. Sie wusste sich gebraucht und tat ihren Dienst aus tiefer Liebe zu Jesus. 

Wir Christusträger betreuten auch ein kleines Leprahospital, eher ein recht verwahrlostes Asyl der Regierung in Balakot, nördlich von Rawalpindi. Dorthin fuhren Schwester Ingrid und eine weitere Schwester monatlich für zwei bis drei Tage. Es war dringend nötig, menschenwürdige Unterkünfte für die schwer von der Lepra gezeichneten Patienten, die nicht mehr entlassen werden konnten, zu bauen. Sie lebten dort mit ihren Familien und über 40 Kindern.
Nach jahrelangen Kämpfen konnte das benötigte Land gekauft und die Baupläne erstellt werden. Am 7. März 1978 war es so weit: Sr. Katrin, die die Leitung für unsere Arbeit hatte, saß mit den Architekten und Bauunternehmern zusammen, um den seitenlangen Bauvertrag zu unterschreiben.

Verwahrlostes Asyl von Leprakranken in Balakot

Verwahrlostes Asyl von Leprakranken in Balakot

Ich war mit Sr. Ingrid nach Faisalabad gefahren, weil sie eine gynäkologische Operation brauchte. Völlig unerwartet gab es eine schwere Komplikation nach der Operation. Während die Ärztin, eine belgische Nonne, um Sr. Ingrids Leben kämpfte, schrie ich im Gebet zu Jesus. Ich sagte ihm, dass er, der Lazarus auferweckt hatte, doch auch Sr. Ingrid retten könne. Es solle aber das geschehen, was ihn groß mache. Leider war die Reanimation vergebens, Jesus rief Sr. Ingrid zu sich.

Diese schockierende Nachricht musste ich Sr. Katrin am Telefon mitteilen, während sie mit den Bauleuten zusammen war. Sie war dann nicht mehr fähig, selbst Auto zu fahren, und wurde von einem der Unternehmer, einem Moslem, nach Hause gebracht. Als er unterwegs erfuhr, um welche Schwester es sich handelte, war er sehr betroffen. Sr. Ingrid hatte ihn ein paar Tagen vorher durch das Leprahospital geführt, und er war tief berührt, dass diese junge, sehr freundliche Schwester ihr Leben für die schwer gezeichneten »Aussätzigen« einsetzte, vor deren Krankheit er sich zu Tode fürchtete.

Sr. Ingrid wurde ihrem Wunsch gemäß in Pakistan beerdigt. Im Laufe der nächsten Tage ergaben sich mehrere Gespräche mit dem Bauunternehmer und befreundeten Missionaren. Er konnte nicht verstehen, warum Gott Sr. Ingrids Sterben zugelassen hatte. Bei einem Zusammensein nach dem ersten Spatenstich in Balakot sprach er von seiner verzweifelten Suche nach dem Sinn seines Lebens.

Spatenstich für die neue Lepra-Unterkunft

Spatenstich für die neue Lepra-Unterkunft

Er hatte in verschiedenen Religionen keine Antwort gefunden. Nun hörte er von unserem christlichen Glauben an die Auferstehung nach dem Tod, wie Jesus Christus sie uns verheißen hat. Das traf in sein Herz. Nun wollte er selbst davon in der Bibel lesen. Vier Wochen gab er Gott Zeit, ihn zu überzeugen. Je mehr er las, je heftiger tobte der Kampf in ihm. Gott sprach zu ihm und begegnete ihm in einer Weise, die einer Fortsetzung der Apostelgeschichte gleich war. Nach drei Wochen war er bereit, als Christ zu leben und sich Jesus anzuvertrauen. Kurz darauf kam der Unternehmer in größte Schwierigkeiten und geistliche Kämpfe, in die auch wir hineingezogen wurden. So blieb uns nicht viel Zeit zum Trauern um Sr. Ingrid. Gottes Wort aber hatte sich bewahrheitet:

...wenn das Weizenkorn aber stirbt, so bringt es reiche Frucht.

Joh.12, 24

Bis zu seinem Tod 2015 blieb der Bauunternehmer dem Glauben an Jesus Christus treu.

— Sr. Adelheid, 30. März 2023