Rückblick – Sr. Helga erinnert sich an ihre Zeit im Busch

Nach 60 Jahren Schwesternschaft haben wir viel Grund zur Dankbarkeit und wollen einige Geschichten teilen. Heute berichtet Sr. Helga über die abenteuerlichen Anfänge in Argentinien.

Sr. Helga beim Unterrichten

Sr. Helga beim Unterrichten

Wie alle Jahre beginnt in Argentinien Anfang März das neue Schuljahr, so auch 1985 in El Manantial, einer kleinen Ansiedlung im Chaco Salteño, dem Buschwald im Norden des Landes. In den 60er Jahren hatten hier zwei Schwestern unter primitiven Umständen mit dem Unterrichten in einer Palmhütte und der Behandlung von Kranken begonnen. Dann wurde ein Brunnen gegraben und frisches Wasser sprudelte. Später kamen ein festes Schulgebäude und Internat dazu. 1973 wurde die Einrichtung staatlich anerkannt. Leitende Schwestern waren Sr. Helga und Sr. Brunhilde.

In diesem Jahr waren 80 Schulkinder angemeldet, um die Klassen 1 – 7 zu besuchen. Die Regenzeit sollte ihrem Ende entgegen gehen und die Sand- und Erdwege waren einigermaßen trocken, so dass die Kinder zu Fuß oder auf dem Pferd kommen konnten. Oft saßen da auch mal drei Kinder auf einem Gaul. Wer einen weiteren Weg als 30 km hatte, wohnte im Internat. Es war mit 55 Kindern gut belegt. Das fröhliche, laute Treiben begann wieder.

Regen mit unguten Folgen

Das Wetter aber war ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Immer wieder fiel heftiger Regen. Wie gut, dass wir die Grundnahrungsmittel schon vor Monaten mit dem Traktor die 80 km vom letzten Dorf auf unsere Station gebracht hatten. Allzu oft waren wir schon von der Umwelt abgeschnitten gewesen wegen der großen Überschwemmungen. Und so passierte es wieder. Es regnete so stark, dass weite Teile der Chaco-Ebene unter Wasser standen. Ein schnelles Absinken des Wassers war unmöglich, da die Erde einfach genug getränkt war.

Straßen unter Wasser

Straßen unter Wasser

Wir waren wieder abgeschnitten von der Außenwelt. Solch eine Lage war besonders auch für unsere Krankenschwester Sr. Helene eine große Herausforderung, denn an Transport- möglichkeiten für Schwerkranke war nicht zu denken. Unser Lebensmittelvorrat nahm ab. Die verschiedenen Säcke von Mehl, Reis und Nudeln leerten sich. Wir hatten zwar noch Funkkontakt zur Außenwelt, aber die Bitte um eine Lebensmittel-Sendung per Flugzeug (einmotorige Maschine) schien sinnlos, da unsere Landepiste unter Wasser stand. 

Hilfe war dringend nötig, denn 80 Kindern drohte der Hunger. In den elterlichen Hütten waren ebenfalls die Lebensmittel knapp. Wir beteten zu Gott und baten um Sonnenschein, um Rückgang des Wassers, um Bewahrung vor Krankheit und Unfällen. Aber das Wasser sank nicht. Die Lebensmittel nahmen weiter ab, während die Tage vergingen. Es blieb uns nur, weiter um Hilfe zu unserem himmlischen Vater zu flehen. Niemand hatte auch nur eine Ahnung, wie dieses Problem gelöst werden könnte. Unser Vertrauen auf Gottes Hilfe wurde von mehreren Personen ausgelacht und verachtet.

Überraschende Hilfe

Doch der Allmächtige griff ein! Endlich, an einem Vormittag, zogen sich die Wolken zurück. Aber immer noch stand das Wasser. Um 10 Uhr hörten wir aus der Ferne ein Geräusch am Himmel. Ein Flugzeug konnte aber unmöglich landen, denn die Piste war nicht zu gebrauchen. Doch das Geräusch kam näher... und kaum zu fassen... am Himmel erschien ein Hubschrauber! Er flog kurz über unser Gelände und suchte einen trockenen Landeplatz.
Direkt auf dem Schulhof war dies möglich und schnell wurden Säcke von Lebensmitteln abgeladen! Welch eine Freude, welch ein Jubel und Dank an Gott. Das Gesundheitsamt von Salta (320 km entfernt) hatte von unserer Not gehört und diese Ladung geschickt. Wir atmeten alle erleichtert und dankbar auf.

Jesica, ehemalige Schülerin, arbeitet jetzt selbst im Kindergottesdienst mit

Jesica, ehemalige Schülerin, arbeitet jetzt selbst im Kindergottesdienst mit

»El Manantial« – die Quelle sprudelt weiter!

2019 erhielten wir eine knappe Nachricht per WhatsApp aus Argentinien: »Studium als Schulpsychologin erfolgreich beendet. Jesica Luna.« Welch eine Freude! Jesica war ein kleiner Wildfang und besuchte in den 90er Jahren unsere Volksschule in El Manantial. Sie war dort eine der besten Schülerinnen. Ihre Eltern und Großeltern wohnten noch in einfachen Palmhütten ohne Strom und Wasser. Später machte sie eine Ausbildung zur Erzieherin. Seit ihrem Studium lebt sie in der Provinzhauptstadt Salta und hilft mit großer Begeisterung und Freude in der Gemeinde mit. 2018 hat Jesica geheiratet. Zusammen mit ihrem Ehemann setzt sie sich besonders im Kindergottesdienst ein.

— Sr. Helga, 21. März 2022